Doskozil, seine Abschiebe-Hercules und enttäuschte Erwartungen

Herr Doskozil, ich bin enttäuscht von Ihnen. Vor dem Sommer wusste ich nicht einmal, wer Sie sind. Dann kam die sogenannte „Flüchtlingskrise“ (fälschlicherweise impliziert dieser Begriff immer, dass Geflüchtete – schutzbedürftige Menschen – die Krise darstellen, in Wirklichkeit sind es wir, die mindestens eine Mitschuld an den Krisen/Kriege in ihren Heimatländern tragen und damit an den Fluchtursachen). Sie hatten ein paar gute Momente. Sie schienen überaus menschlich zu agieren (nachzulesen zum Beispiel in diesem Kurier-Interview), vermutlich haben Sie das auch.

Nun, Herr Doskozil, sind Sie Verteidigungsminister. Als erste Gerüchte aufkamen, Sie könnten diesen Job übernehmen, hielt ich das noch für eine gute Idee. Mit Vorschusslorbeeren waren Sie ja reichlich überhäuft worden, auch von mir. Dann erste Zweifel. Würde das Amt als Minister Sie nicht verändern? Müssten Sie nicht einige Ihrer anscheinend vorhandenen Ideale über Bord werfen?

Herr Doskozil, das ging sogar unerwartet schnell. Kaum im Amt, sprechen Sie anders, scheinen Sie anders zu denken. Sie wollen Hercules-Maschinen für Abschiebungen zur Verfügung stellen. Dabei scheinen Sie so wie viele Ihrer Genossen vergessen zu haben, wer genau das zuerst gefordert hatte: „Denn dann könnten Sie drinnen so laut schreien, wie sie wollen.“ Na, wer war’s? Wissen Sie es noch? Richtig, Kollegin Dagmar Belakowitsch-Jenewein von der FPÖ. Damals war der Aufschrei laut – und jetzt?

Glatt könnte der Eindruck entstehen, Sie ließen sich gerade ganz schön instrumentalisieren. Ob gewollt oder nicht, darüber kann ich nur spekulieren. Ein Polizist, der mit ein paar Aussagen positiv aufgefallen ist. Man bietet ihm das Amt des Verteidigungsministers an. Lässt ihn gleich als eine der ersten Amtshandlungen eine FPÖ-Forderung umsetzen. Und der Aufschrei? Bleibt weitgehend aus. Kommt ja vom Doskozil und den haben wir als sehr menschlich in Erinnerung. Well done, SPÖ.

Herr Doskozil, ich hoffe, Sie können sich morgens noch in den Spiegel schauen.

Was für mich bleibt: Enttäuschte Erwartungen (mal wieder, irgendwann lerne ich es noch). Und die Erkenntnis, dass ich meine Vorschusslorbeeren künftig mit mehr Vorsicht verteilen muss.

Lesetipp! Ein gewisser Gottfried hat dazu übrigens einen tollen Blogbeitrag verfasst. „Doskozil, Herkules und das bittere Ende“ lautet der Titel. Den Text lege ich Ihnen und Ihren Genossen dringend ans Herz. Vielleicht erkennen Sie spätestens nach dieser Lektüre, wie die Geschichte für Sie und die SPÖ ausgehen könnte…