Tiefe Gräben

Leicht gekränkt darf man als politisch interessierter Mensch, der sich klar gegen Rechts ausspricht, dieser Tage nicht sein. Zumindest nicht in Österreich, wo am Sonntag immerhin rund jeder fünfte meiner Landsleute die FPÖ gewählt hat. Ich sei intolerant, weil ich andere ausgrenze, habe ich gleich mehrmals in Folge gehört. Weil ich nämlich eine Partei ausgrenze, die selbst andere ausgrenzt. Die ganz massiv gegen Minderheiten hetzt. Das Ironische dabei: Ich habe nicht einmal die Macht, die Rechtspopulisten tatsächlich auszugrenzen. Leider. Ich kann nichts dagegen tun, dass Susanne Winter nun schon wieder in „mein“ Parlament einzieht. Die Politikerin war vor wenigen Jahren offiziell wegen Hetze verurteilt worden.

Ich bezweifle sogar, dass Konsequenzen wie diese vielen FPÖ-Wählern wirklich bewusst gewesen sind. Nur: Tun können wir jetzt nicht mehr viel dagegen – und wie schon 2002, als die damalige FPÖ mit Jörg Haider in die Regierung gekommen ist, kann ich auch heute nur wiederholen: „Ich habe sie nicht gewählt, aber ich werde durch euer Wahlverhalten massiv beeinflusst.“ Wie? Indem das Land, in dem ich seit 33 Jahren lebe (und zwar mehrheitlich sehr, sehr gerne!), immer mehr von rechtem Gedankengut eingenommen zu werden scheint.

Natürlich sind nicht alle Nazis

Nein, selbstverständlich sind nicht alle FPÖ-Wähler Nazis. Braunes Gedankengut trägt wahrscheinlich wirklich nur ein geringer Prozentsatz in sich. Unbestritten erklärt schmetterlingssammlung.net recht gut, warum sich viele – darunter ganz viele junge, männliche, weniger gebildete – Österreicher an dieser „Führerfigur“ Strache orientieren. Und natürlich ist es einfach, jetzt „Nazis, Nazis!“ zu schreien. Das bringt niemandem etwas, klar.

Aber ich erwarte (eigentlich!) von meinen (wahlberechtigten) Mitmenschen, dass sie den Denkens fähig sind. Dass sie über Lesekompetenz verfügen, die über das reine Stieren auf zugegeben markige, aber hetzerische Wahlsprüche hinausgeht. Wer sein Kreuzerl bei der FPÖ macht, weiß doch hoffentlich, wofür beziehungsweise wogegen diese Partei steht. Jetzt sind zwar freilich die anderen Parteien ganz stark gefragt, sich gegen Rassismus, Diskriminierung und Hetze in unserem Land stark zu machen. Außer irgendjemand wünscht sich längerfristig ernsthaft Zustände wie in Griechenland oder Ungarn. Und es liegt genauso auch an uns als Teil der Gesellschaft, uns entsprechend unserer Möglichkeiten zu engagieren. Sei es in Vereinen oder Initiativen, mit einzelnen Aktionen, parteipolitisch oder im Alltag. So weitermachen wie bisher kann niemand von uns, für den das Leben mehr ist als „Fressen und F…..“.

Wer grenzt hier aus?

„Dramaqueen“ ist übrigens so auch ein Begriff, den ich gehört habe. Nämlich als ich es gewagt habe, auf der Facebook-Seite eines Freundes zu äußern, wie wie eng der Knoten um meinem Magen angesichts des Wahlergebnisses geschnürt ist. Bin ich eine Dramaqueen, weil ich mir über Dinge Gedanken mache, die vielen meiner Bekannten und auch Freunde schlichtweg wurscht sind? Sicher nicht. Bin ich intolerant, weil ich meine Meinung gegen Rechts äußere? Wohl auch nicht. Grenze ich aus, weil ich die wenigen Facebook-Freunde und Twitter-Follower, die offensichtlich mehr oder weniger schwere FPÖ-Sympathisanten sind und in Strache-Marnier die immergleichen 08/15-Argumente wiederholen oder gleich beleidigend werden, inzwischen gelöscht habe? Vielleicht.

Nur: Ich höre mir gerne andere Meinungen an, ich diskutiere und kann aus einer Diskussion auch rausgehen, ohne am Ende vermeintlich „gewonnen“ zu haben. Aber eines kann ich nicht: Echte FPÖ-Wähler (nicht, dass ich die sogenannten Protestwähler besser fände, siehe das Thema weiter oben: „Wahlprogramme sinnerfassend lesen“) zum Nach- oder gar Umdenken bringen. Das habe ich inzwischen gelernt. Wenn sich jemand dadurch diskriminiert fühlt, tut mir das leid. Aber wenigstens wisst ihr dann vielleicht zum ersten Mal im ganz kleinen Rahmen, wie sich sowas anfühlt.

Und so scheint das Thema Rechts mittlerweile auch tiefe Gräben im Privaten zu reißen.

(Hier sollte ein aussagekräftiger Schlusssatz stehen, aber es gibt keinen. Story‘ not over yet.)

c Sabine Karrer