U-Bahn-Wirrwarr

Vor meinem inneren Auge läuft gerade folgender Film ab: Hunderte Anhänger einer bestimmten Fußballvereins mussten soeben miterleben, wie „ihre“ Mannschaft das vielleicht wichtigste Spiel der Saison hoch verloren hat. Der Meistertitel scheint in weite Ferne gerückt. Die Stimmung ist aufgeheizt, manche Fans sind alkoholisiert, trotzdem hat es die Masse irgendwie geschafft, sich in die inzwischen eingefahrene U-Bahn-Garnitur zu stapeln. Immer noch mehr Menschen versuchen, sich in den Zug zu drängen. Wenigstens geht es jetzt nach Hause.

Aber es passiert nichts. Die Türen sind längst zu, die Fenster können nicht geöffnet werden. Es ist stickig, die ersten Fahrgäste beklagen sich.

Wie Vieh am Bahnsteig

Nach geschätzten zehn Minuten und KEINER Durchsage gehen die Türen wieder auf. „Alle aussteigen, schadhafter Zug“, nuschelt eine Stimme, von der kaum einer weiß, ob sich hier nicht jemand einen Scherz erlaubt. Ratlose Blicke, schließlich die Erkenntnis: Es war kein Scherz. Alle verlassen die Wagons und stehen nun wie Vieh am Bahnsteig. Wieder passiert ca. fünf bis zehn Minuten gar nichts. Einige versuchen ihr Glück bereits am Taxistand, die meisten warten verwirrt ab, was passiert. Wir auch. „Alle Züge fahren von Plattform 2 ab“, ist am Display zu lesen.

Plötzlich öffnen sich die Türen der angeblich defekten Garnitur wieder. Der Fahrer(?) läuft an der Menge vorbei, manche scheinen verstanden zu haben, dass wir wieder einsteigen können, aber keiner weiß genau, was zu tun ist. Also betreten wir auch wieder den Zug, den wir zuvor verlassen mussten. Wir warten, dann geht es irgendwann endlich los. Was geschehen war, wissen wir nicht – mit uns hat niemand gesprochen. Obwohl es dieses tolle Tool namens U-Bahn-Durchsage gibt.

Ich möchte dem U-Bahn-Fahrer keine Schuld geben. Ich weiß nicht, was passiert war. Aber ich möchte den Wiener Linien mitteilen, dass es in einer Situation wie dieser vor allem um eines geht: Kommunikation. Alles andere könnte im schlimmsten Fall zu Eskalation führen. Und ich möchte in dem Fall Paul Watzlawick widersprechen: Man kann auch NICHT kommunizieren. (Ich weiß, er hat es anders gemeint…)

Danke fürs Nerven behalten

Aber zurück zum Film in meinem Kopf: Nichts gegen Fußball-Fans, ich mag Fußball selbst recht gerne. Aber so ruhig wie die Fans der Vienna Capitals, die heute in Sachen „Heimfahren mit den Öffis“ ihr oben beschriebenes, blaues Wunder erleben mussten, wäre eine Horde aufgebrachter Fußballanhänger wohl kaum geblieben. Stellen wir uns einfach einmal vor, die Menschen am Bahnsteig Kagran hätten nicht alle die Nerven behalten. Stattdessen hätten sie im schlimmsten Fall die U1-Garnitur zerlegt. So etwas passiert und damit es eben nicht passiert, sollte in einem Betrieb wie den Wiener Linien mit Kunden kommuniziert werden. Denn wie überall anders auch gilt: Fehler werden meistens verziehen, „höhere Umstände“ sowieso. Aber wenn niemand weiß, was als nächstes geschehen wird, kann das böse enden.

Und wenn so wie in unserem Fall auch noch eine Schwangere und mehrere Alkoholisierte kurzfristig im Abteil „eingesperrt“ sind … Wir wissen alle, was hätte passieren können. Dass es nicht so weit gekommen ist, ist einzig und alleine der Besonnenheit der Fans der Vienna Capitals zu verdanken. Das sollte selbstverständlich sein, ist es aber nicht. Und muss daher auch einmal gesagt werden.